Texte


"Warum male ich ?"

Von Thomas C. Jutz

Eigentlich müsste es heißen: Warum malst du? Denn diese Frage bekomme ich hin und wieder gestellt. Ich habe sie jedoch noch nie an mich selbst gerichtet. Warum also?

 

      Es ist mir ein Bedürfnis. Ein innerer Drang. Eine Leidenschaft. Eine Erfüllung. Eine wichtige Sache in meinem Leben.  Ich male, weil es ein Bedürfnis befriedigt: Das berühmte „Malgefühl“. In der Farbe schwelgen. Mit der Farbe modellieren. Formen, Stimmungen und Momente auf die Leinwand bringen.

 

      Es gibt einen inneren, unbewussten aber ganz klaren „Qualitätsmaßstab“ dafür, wann ein Bild gelungen ist. Ich weiß nicht woher er kommt, aber er ist da.

 

Wenn ich Bilder anderer Maler betrachte, weiß ich genau, welche mich ansprechen, bei welchen ich länger verweilen kann. Nur ganz wenige sind es, die ich mir „ins Schlafzimmer hängen könnte, und jeden Morgen neu erleben würde“. (Jean Dubuffet)

 

      Ein Bild, das mich fesselt, bringt eine bestimmte Saite in mir zum Klingen. Ich verlasse mich dabei auf mein Gefühl. Ich glaube, dass der Verstand das Unaussprechliche zwischen mir und dem Bild zerstören würde. Es gleicht dem Gefühl, wenn ich zu den Sternen schaue. Ich möchte Bilder malen, die mich so fesseln, wie ich es bei Bildern anderer Maler erlebe. Dazu muss ich mich in meinen Bildern selbst erkennen können. Was die Frage aufwirft: Wie viel gebe ich von mir Preis?

 

     Wenn Bilder dieses gewisse Etwas haben, kann man auch sagen: Sie atmen.

 Das Bild tritt in einen Dialog mit dir, es atmet dich an, du hauchst zurück. Es ist wortlos.

 Die Sprache ist nur eine Kommunikationskrücke für diese ganz persönlichen Momente, die zwischen Betrachter und Bild ablaufen. Insofern ist es wahr, dass man etwas nicht malen muss, wenn man es literarisch beschreiben kann.

 

      Wie ist es möglich, aus einem inneren Antrieb heraus, ein Anliegen zu erkennen, einen Ausdruck dafür zu finden, ein allgemein gültiges Bedürfnis zu treffen und eine „Ikone“ zu schaffen?

 

     Gerade um das herauszufinden, male ich.

 

  Thomas C. Jutz (2016)

 

 


"Er braucht einen Gegenstand"

Von Jo Bukowski

Ja es gibt sehr viel zusagen.

Ich möchte es mal so sagen: ich werde keine Rede halten im üblichen Sinne, weil das zu persönlich ist.

 

Ich kenne den Thomas jetzt 7 Jahre. Wir haben eigentlich diese Ausstellung gemeinsam durchwandert kann man sagen, alle Kämpfe durchwandert, alle Freuden erlebt usw.

Und ich möchte aber diese Ausstellung dazu benutzen, die Qualitäten sichtbar zu machen, die Thomas hat. Thomas ist jemand, der sich mit den Themen so auseinander setzt, dass er ein Ziel verfolgt, und das ist Tiefe.

Er behauptet ja immer von sich, dass es noch nicht erreicht ist. Das ist sehr positiv, weil da kann man weiter forschen.

 

Wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, so taucht immer eine Grundfrage auf.

Diese Frage ist, was ist die Form? Wie ist der Gegenstand und was ist dahinter?

Um das rauszukriegen muss man einen Weg gehen, um diesen Gegenstand zu untersuchen, ohne am Gegenstand hängen zu bleiben. 

 

Ich will eine kleine Geschichte erzählen, die mir letzte Woche passiert ist. Und zwar ein sehr interessantes Phänomen auf dieser Ebene: ich war eingeladen, und hatte eine Arbeit dabei. Diese Arbeit, die war für die Gastgeberin gedacht und ich hab sie ihr dann auch überreicht und sie sagt: 

Wow, gigantisch, super, das ist eine Kuh, aber was für eine!

Hm hab ich gesagt, OK, eine Kuh. Sie hat mich dann noch mal gefragt, weil die Kuh, die man da sieht ist ja nicht die Kuh in alter Form, sondern in einer ganz neuen; die hat da eine Stimmung; die hat, ja man sollte sagen, eine Aura; die war irgendwie ganz - gemüthaft.

 

Und darauf kommt es an.

Es dauerte nicht lange, da wurde dann diskutiert über diese Arbeit. Plötzlich kamen dann andere Meinungen: Ha, das ist ja keine richtige Kuh; nein, nein, das ist keine Kuh, das sieht eher aus wie eine Ziege; nein, das ist eine Kuh-Ziege, ein Euter hat sie auch nicht usw.

Nun wurde der Gegenstand befragt: die eine Seite war begeistert, und auf der anderen Seite war nicht die richtige Kuh ..(im Bild)

Das stimmt natürlich so nicht, weil die alte Form – das wie eine Kuh auszusehen hat – da haben die einen hingeschaut und die anderen haben da hingeschaut, ja das ist einfach kuhartig, das ist kuhmäßig, das ist was ganz neues – eine neue Form.

Dieses Phänomen haben wir immer vor Augen.

 

Warum habe ich diese Geschichte erzählt? Na ja, wir haben hier auch eine Ausstellung, sie ist auch gegenständlich orientiert, es sind auch Kühe, eine Kuh, Lokomotiven, usw.

Bleibt man jetzt an dem Gegenstand hängen, hat man die alte Welt: wow, ja, das und das muss der Gegenstand haben.

Die neue Lokomotive muss lokomotivisch sein, die muss fahren können, die muss leidenschaftlich einen von einem Ort zum anderen bringen.

 

Thomas hat die Fähigkeit, sich mit mir dazu in Diskussion zu bringen, und das auszuloten und sich so ……. Ok, lassen wir die alte Form weg und suchen etwas neues was dahinter ist.

Was muss das denn sein? Kann es etwas sein, das einen beglückt? Einen erheitert, einen in Leidenschaft bringt?  Eine Vision , ein Traum usw.

Sobald das anfängt, eine neue Form zu bilden, entsteht so etwas wie: ein Reichtum von dieser Welt.

Denn es gibt nicht so viele Themen, aber es gibt unendlich viele Formen der gleichen Sache.

 

Picasso hat einmal gesagt: ich zerstöre die alte Welt, und baue sie neu auf. Er war nicht so ein guter Maler, aber er war ein Gott.

Und das Schöne an Thomas` Arbeit ist, dass er neue Formen sucht, die mit dem zu tun haben, was wir kennen: Lokomotive, die Kuh, die über die Weide läuft, ah die Farbe fängt dann auch an zu blühen und bringt noch mal alles ins Gemüt – also von daher würde ich sagen, ist das was du machst, persönlich, lebendig, neue Erfindungen der alten Welt – was will man mehr?

 

Ich will das mal deutlich machen: nur an dem Punkt hat künstlerische Aussage den größten Charme.

Verlasse das Bild, mach ein neues, begeistere dich dafür, und bezirze dich für den neuen Schwung der kommt, und sei kreativ und genieß die Welt. Vielen Dank.


Körperliche Malerei

Von Jo Bukowski

Am Anfang der Malerei, wenn die Leinwand noch unberührt ist, beginnt – immer wieder aufs Neue – die Geschichte eines Bildes und gleichzeitig setzt sich eine Art von vielschichtiger Beziehung fort: die Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Medium.

 

Das, was die Arbeit von Thomas C. Jutz auszeichnet, ist die genüsslich sinnliche Malweise. Man könnte auch sagen, die Farbe wird körperlich in Erscheinung gebracht, sodass die Modulationen in sich wie eine Farblandschaft wirken, unabhängig vom Motiv. Das gibt dem Betrachter die Möglichkeit eines abstrakten Sinnesreizes.

 

Der Maler Thomas C. Jutz beschäftigt sich, schaut man die bisherige Motivwahl an, mit Architektur, Baustellen, Turnhallen, Lokomotiven, Kühen und Äpfeln. Die Wahl des Motivs allein ist ihm Ausgangspunkt genug, um eine vertiefte Auseinandersetzung mit sich und der Malerei zuzulassen.

Man könnte sagen, er will zunächst den „Namen“ der malerischen Begegnung wissen. Alle Orientierungspunkte dieses angehenden Prozesses unterliegen daher der zeichnerischen Annäherung. Ist dies geschehen, öffnet sich für Thomas C. Jutz seine eigene Welt.

 

Die Dramaturgie seiner Bilder ist geprägt – zum Beispiel bei den Baustellen – von einer Farbbewegung, die im Bild unterschiedliche räumliche Richtungen aufweist und somit den Betrachter zu immer neuen Entdeckungen führt. Das Auge bekommt immer Neues zu sehen und bleibt doch auf dem Boden einer körperlichen und sinnlich-geistigen Erfahrungswelt und nicht in einer Welt der farbigen Musikalität.

 

Die Erfindung liegt darin, neue Erfahrungen farblich zuzulassen, ohne vom Motiv in der Wahrnehmung einseitig diktiert zu werden. In den Architekturbildern ist der Klang des äußeren Raumes eine wichtige Frage des Malers. Dagegen sind die Turnhallenbilder der Versuch, auf Innenräume einzugehen, die aber zunächst still und teilnahmslos wirken, um dann den Betrachter mit der Frage zu konfrontieren: Was war alles lebendig davor oder was war vor dem Moment der Stille?

 

Somit sind die Arbeiten von Thomas C. Jutz voller Spannung, Sinnlichkeit, scheinbar einfach, doch es steckt mehr dahinter!


vom üben und malen (textauszug)

von christian zillner, wien

jutz spricht von seiner freude am malen – für einen zeitgenössischen künstler ist das eine geradezu verwegene aussage – so als könnte kunst glücksgefühle auslösen – eigentlich erwartet das publikum und der künstler von sich selbst ja verzweifelte getriebenheit zum werk – dass man auch glücklich getrieben werden kann – ist schön

 

schön auch, dass jutz vom geruch des malens spricht – die ölfarbe, besonders aber die verschiedenen malmittel, verströmen wie die kühe einen einzigartigen geruch – wie die kühe, riecht man sie vielfach nicht mehr gern – ich gebe zu, selbst mit geruchlosem malmittel zu arbeiten – gerade der terpentingeruch ist mir zu kräftig – jutz hat hier eine, wie ich meine, offenere zugangsweise – es gehört dazu – wer es nicht verträgt, ist der ölmalerei nicht würdig

 

jutz spricht auch von atmosphäre in seinem atelier – also von einer anderen welt – in die taucht er ein – was viel wichtiger ist – er taucht daraus auch wieder auf und geht mit seinen erfahrungen ins alltägliche leben – das nenne ich eine andere haltung, als die eskapistischen abenteuer, denen etwa der film „avatar“ huldigt – dort taucht der menschliche held am ende nämlich nicht mehr auf – er bleibt in einer ständigen phase phantastischer selbstinfantilisierung – und dies ist wohl auch das merkbarste anzeichen gegenwärtiger kunst von den ameisen und krähen oder fetten autos heimischer künstler bis zu jeff koons, der eine ganze nachgebaute lokomotive vor einem museum an einen baukran hängen lässt

 

das „lässt“ ist wichtig, denn viele künstler der gegenwart entwickeln nur noch ideen, die sie andere ausführen lehren – in der renaissance war es genau umgekehrt, da haben künstler die ideen von philosophen oder theologen handwerklich umgesetzt – heute befassen sich handwerklich kaum ausgebildete, jedenfalls aber philosophisch und theologisch recht ahnungslose künstler mit der entwicklung von ideen – kein wunder, dass da reiner infantilismus wie koons lok herauskommt, die auch zu jeder stunde tutet und dampf ablässt

 

jutz befasst sich nun auch mit lokomotiven – allerdings versucht er ihre idee von kraft, geschwindigkeit und masse in handwerklich erarbeitete malerei umzusetzen – das lässt keinen infantilismus zu, denn damit es gelingt, muss man, was kein kind und viele zeitgenössische künstler können, nämlich üben. kunst ohne üben ist, wie der philosoph peter sloterdijk sagt, genieästhetische pest

 

gegen die genieästhetische pest malt jutz seine bilder – übend, und geniessend, eine wunderbare kombination – von der freude dieser tätigkeit zeugen seine bilder und vermitteln hoffentlich auch ihnen beim betrachten etwas davon – sie sind jedenfalls beleg dafür, dass es auch in einer zivilisierten gesellschaft, die aus dekadenz in künstlerischen äusserungen gern das primitiv-brachiale  sucht, einen künstlerischen ausweg aus infantilismus und angeeignetem primitivismus gibt – man muss dafür halt üben wie ein musiker – die kinder stehen bei einem popmusik act auf den sänger – aber die musikgeniesser ziehen den gitarristen vor – so ist es auch in der gegenwärtigen kunst: die lauten ziehen die menge an, die stillen wie jutz sorgen für den richtigen optischen sound

 


Theoretiker im Schreibstreik – Position 4

Von Christian Demand, Professor für Kunstgeschichte, Nürnberg

Eine der sinnträchtigsten und segenreichsten Erfindungen des Kunstbetriebs ist der Katalog zur Ausstellung. Eine Eröffnung ohne Ansprache ist vorstellbar, eine Vernissage ohne Publikum ist vorstellbar – eine Ausstellung ohne Katalog  ist es nicht. Das liegt vermutlich daran, dass der Katalog die einzige Frucht der Kunstwelt ist, die allen Beteiligten gleichermaßen schmeckt.

 

Für Künstler ist ein Katalog ohnehin stets eine schöne Sache. Schließlich dauert auch die gelungenste Ausstellung nicht ewig. Eine gedruckte Dokumentation bannt nicht nur die Flüchtigkeit des Augenblicks, sie legt zugleich den gnädigen Schleier historischer Verklärung über Besucherzahlen und Verkaufserlöse. Das Publikum zählt ebenso eindeutig zu den Gewinnern. Ein optisch ansprechendes Erinnerungsstück im Folienformat ist nicht nur eine Zierde für jedes Regal, es versöhnt auch nachträglich mit manch unsäglichem Vernissagegespräch , das man dafür auf sich nehmen muss.

 

Auch Galeristen und Museumsleute könnten sich eine Ausstellung ohne Katalog nur schwer vorstellen, belegt doch jeder neue aus dem eigenen Haus die eigene professionelle Umtriebigkeit, während jeder neue Katalog der Konkurrenz die schlechte Meinung über sie bestätigt. Selbst die Feuilletonredakteure haben ihre Freude. Wer einen Katalog auf dem Schreibtisch hat, hat einen lästigen Abendtermin weniger. Wer kurz entschlossen doch noch hingeht, hat am Büfett dann beide Hände frei. Kurz: Eine Ausstellung ohne Katalog ist schlimmer als gar keine Ausstellung. Also gibt es immer einen Katalog.

 

Menschen, die mit den Gepflogenheiten des Kunstbetriebs nicht vertraut sind, nehmen den Katalog mit nach Hause, blättern schnell über Zuneigung, Grußworte und Abbildungen hinweg, bis sie auf dichte Buchstabenfolgen stoßen, wie sie sie von anderen Büchern gewohnt sind. Dann lehnen sie sich entspannt zurück und beginnen, aufmerksam zu lesen. Das verrät eine lautere Seele, ist aber leider auch rührend naiv.

 

Der Text ist in Kunstkatalogen nämlich vollkommen bedeutungslos. Wichtig ist die Ausstattung. Die Ausstattung verrät sofort, in welcher Liga der Künstler oder die Künstlerin spielt. Ein richtiger Katalog muss prächtig sein, am besten im Offset gedruckt, in Hochglanz, teilmattiert, mit Sonderfarben, Fadenheftung, geprägtem, mehrfach eingeschnittenen Titel, aus seltenen Materialmischungen und Spezialpapieren, denn all das kostet, und zwar entweder den Künstler oder die Künstlerin oder aber die Galerie, den Kunstverein, das Museum.

 

Die einen wie die anderen haben kein Geld zu verschenken. Also investieren sie gerade so viel, wie ihnen die Kunst jeweils wert ist. Man mag das kalt und berechenbar finden, aber in Wirklichkeit könnte man sich gar kein aufrichtigeres Verfahren zur Dokumentation von Wertschätzungen ausdenken. Natürlich enthält der Katalog aus naheliegenden Gründen auch ein paar nützliche Informationen: den Namen der Künstlerin oder des Künstlers in der richtigen Schreibweise, die wichtigsten biografischen Daten, fotografische Abbildungen der ausgestellten Werke, ein Grußwort der örtlichen Kulturreferentin, manchmal auch eine klein geschrumpfte Version der Eröffnungsrede. Aber das war’s dann schon. Alles andere ist Füllmaterial.

 

Das Wort „Füllmaterial“ klingt in diesem Zusammenhang zugegebenermaßen leicht ehrfürchtig, trifft den Sachverhalt aber ziemlich genau. Zu wahrer Pracht gehört nun einmal  eine gewisse Fülle, die aber ist über Abbildungen allein schwer herzustellen. Und da man auch beim großzügigen Layout nicht unbegrenzt  leere Blätter dazwischenschieben oder die Schriftgröße aufblasen kann, bleibt immer ein leidiger Rest, für den man wohl oder übel den Text auftreiben muss.

 

Die Herstellung des entsprechenden Füllmaterials gilt traditionell als Aufgabe für die Sorte kunstinteressierter Autoren, die man im Betrieb gern etwas abfällig als „Theoretiker“ bezeichnet. Es lässt sich leider nicht nachvollziehen, woher diese Auffassung rührt, mit Sicherheit aber stammt sie nicht von den Betroffenen. Sie dürfte vielmehr ein Spiegel der Meinung sein, die man von ihnen hat, und die ist wenig schmeichelhaft.

 

Man hält Theoretiker nämlich in der Regel für desperate Eunuchen, die zwar das gleiche ausgeprägte Geltungsbedürfnis treibt, ohne das man sich ach nicht die Mühe machen würde, eine Karriere als Künstler oder Kurator einzuschlagen, die aber selbst weder in der Lage wären, einen Pinsel zu halten, ohne sich dabei die Schuhe zu bekleckern, noch fähig, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Derart unglücklich vom kreativen Hauptgeschäft abgeschnitten, sind sie schließlich damit zufrieden, wenigstens verbal ein wenig assistieren  zu dürfen, und zwar, nachdem sie sich der Form halber zunächst ein wenig geziert haben, breitwillig und in beliebiger  Länge. Dabei muss ihnen selbstverständlich klar sein, dass sie ausschließlich deshalb zum Mitmachen aufgefordert wurden, weil alle anderen Lösungen teurer gewesen wären.

 

Sie haben auch nicht empfindlich zu reagieren, wenn niemand jemals mit ihnen über irgendwelche Inhalte spricht, sondern immer nur über Abgabetermine und Zeichenzahlen. Sie sollten schließlich wissen, dass sich im Grunde kein Mensch dafür interessiert, was sie zu sagen haben, sofern nur das Lob kataraktartig über Künstler und Werke herniederregnet sowie ausgiebig von den „Synapsen der Gesellschaft“, „ästhetischen Interventionen“ und der „Markierung von Orten“ die Rede ist.

 

Dieses Arrangement mag womöglich eine demütigende Komponente haben. Aber da der gemeine Theoretiker, wie man glaubt, den Sack voller Gelehrsamkeit, der ihm aus Studienzeiten übrig geblieben ist, nun einmal nirgendwo anders leeren kann, ohne Unwillen zu erregen, wird er sich den Umständen schon fügen und sich mit dem Gedanken trösten, es könnte einer „seiner“ Künstler irgendwann einmal die große Karriere machen, in deren Sog es ihn dann mit nach oben spült.

 

Nun bin ich zufällig auch einer dieser Theoretiker, und als solcher ständiger Adressat ebenso freundlicher wie  hartnäckiger Katalogtextanfragen. Das ist in meinem Fall besonders merkwürdig, weil es belegt, dass die Anfrager, sofern sie nicht allesamt tollkühne Desperados sind, kein Wort von dem gelesen haben was ich je geschrieben habe. Dementsprechend unerquicklich gestalten sich die unvermeidlichen Anschlussgespräche (*).

 

 

(*) Der vorliegende Text wurde im „Monopol 8/2009“ mit folgendem Zusatz veröffentlicht:

 

Da es wenig Sinn haben dürfte, diese missliche Situation durch weitere ungelesene Erklärungen aus der Welt schaffen zu wollen, versuche ich es probehalber einmal anders herum und stelle hiermit den vorliegenden Text gegen ein Belegexemplar für jeden Abdruck zur Verfügung. Er ist zeitlos, behandelt ausgiebig die „Synapsen der Gesellschaft“, die „ästhetischen Interventionen“ und die „Markierung von Orten“, nennt dabei weder Namen noch Positionen, ist also uneingeschränkt einsetzbar, steht dazu jederzeit  termingerecht zur Verfügung und passt mit etwas mehr als 7ooo Zeichen in alle branchenüblichen Formate. Im Gegenzug bitte ich inständig mich mit der Frage „Könnten Sie sich vorstellen, einen Katalogtext für mich zu schreiben?“ künftig zu verschonen.